Weihnachten am Boden
Teil 1
Es knackte in den Lautsprechern im Wartebereich. Und dann kam wieder eine Durchsage … allgemeines Aufstöhnen und leises Fluchen war die Reaktion. Die Ansage endete mit den Worten: „… leider können wir Ihnen im Moment keine andere Auskunft geben. Achten Sie bitte weiterhin auf die Anzeigetafeln und die Lautsprecherdurchsagen. Wir informieren Sie über Änderungen zu Ihren gebuchten Flügen, sobald wir Ihnen Neues sagen können.“ Dann folgte die Durchsage noch einmal auf Englisch.
Annabell fragte bestürzt, „Mama, was heisst das denn jetzt?“
Lea seufzte, legte ihrer Tochter die rechte Hand auf die Schulter, stütze das Kinn in die Linke und versuchte zu erklären: „Das bedeutet leider, dass wir hier wahrscheinlich bis morgen festsitzen …“
„Aber, aber … was ist denn dann mit Papa und Oma und Opa und, und, und unserem Weihnachten?“ – beim letzten Wort kamen Annabell die Tränen.
Lea streichelte ihr über den Kopf und wusste auch nicht mehr weiter.
Es war Dienstag, der Tag vor Heiligabend und Leas und Annabells Sorge war berechtigt: Das Sturmtief Xaver hatte nämlich pünktlich zum Fest dafür gesorgt, dass die Temperaturen zwar in die Höhe geklettert waren, anhaltender Regen und starke Winde den Flugverkehr jedoch gründlich durcheinandergewirbelt hatten.
„Früher wäre es wenigstens noch Schnee gewesen, was?“, wandte sich ein Mann im Rentenalter an seine neben ihm sitzende Frau. Die sagte gar nichts und schaute stattdessen auf ihre Armbanduhr. Es war inzwischen 19:52 Uhr. Bis zum Nachtflugverbot ab 22 Uhr war es zwar noch eine Weile, aber vor den Fernstern des Terminals fiel der Regen unablässig und jeder Windsack auf dem Rollfeld stand waagerecht in der Luft. Die bereitstehenden Flugzeuge waren nur als stumme, weisse Riesen vor dem Dunkel der Nacht wahrnehmbar.
„Magst Du ein Gummibärchen, Kleines“, fragte der ältere Mann die traurige Annabell gerade und hielt ihr eine bunte, geöffnete Tüte hin.
Annabell hob schon die Hand, hielt aber dann inne und schaute ihre Mutter fragend an.
„Lieber nicht, Schatz! Du musst ja auch bald schon schlafen. Da ist Zucker doppelt schädlich“, antwortete die leider. „Vielen Dank“, wandte sie sich an den Mann, „aber meine Tochter hat heute schon genug Süsses gehabt.“
„Jetzt lass mal die Kleine, Helmut“, gab dessen Frau dazu. „Iss deine Bärchen selbst.“
„Na gut, mehr für mich“, sagte der, steckte sich drei in den Mund und konnte in Annabells Richtung nur entschuldigend die Achseln zucken.
Annabell meckerte zwar kurz, liess sich aber mit ihrer Hörspielbox ablenken. Sie war für den Moment wieder zufrieden.
Lea liess seufzend den Blick über die Wartenden gleiten. Müde, graue Gesichter, die auf nichts weiter hofften, als eine Veränderung, eine Alternative zur stumpfen Warterei. Eines hatten sie alle gemeinsam: Schweigend oder höchstens leise mit den direkten Nachbarn redend sassen sie auf ihren gepolsterten Sitzen und gingen nirgendwo hin.
Nur ein junges Pärchen am Ende ihrer Sitzgruppe war in den letzten Minuten immer lauter geworden: „Mann, was ist das für ein Mist?“, fasste der junge Mann die allgemeine Stimmung treffend zusammen.
„Es ist jetzt eben so“, gab seine Partnerin, leider nicht viel leiser zurück.
„Warum sind wir nicht gestern schon geflogen, verdammter Mist?“
„Weil wir gestern beide noch gearbeitet haben … ausserdem wäre das Wetter da auch nicht besser gewesen.
„Ach, ja? Na, Du scheinst es ja mal wieder besser zu wissen … wenn es nach mir gegangen wäre, wären wir letzten Sonntag schon geflogen. Die paar Kröten, die das mehr gekostet hätte. Da hätten wir auch morgens nonstop fliegen können und müssten nicht noch einen halben Tag in Paris verplempern.
„Wir ‚verplempern‘ ja keinen ‚halben Tag‘ in Paris, wir müssen da nur umsteigen und haben drei Stunden Aufenthalt. Das geht doch ganz schnell vorbei und der Flug ist dadurch wesentlich günstiger.
„Ach, Du immer mit deinem Spar-Tick! Als wenn wir auf den letzten Cent gucken müssten. Ist doch alles Quatsch! … und überhaupt, dieser ganze Mist mit dem Weihnachtstrip: Das war doch deine Idee!“
„Vielleicht könntest Du ein bisschen leiser sprechen, damit nicht jeder hier alles mitbekommt? …“
Aus den Augenwinkeln hatte Lea bemerkt, dass jetzt auch andere Reisende aufgeschaut hatten und den Streit verfolgten. Besonders der ältere Mann, der Annabell Gummibärchen angeboten hatte, schien grossen Anteil am Gespräch zu nehmen. Jetzt stand er sogar auf …
„Ich rede so laut, WIE ICH WILL …“
Die junge Frau hielt sich daraufhin die Ohren zu und drehte sich demonstrativ weg von ihrem Partner. Der trat gegen seinen Handgepäckkoffer und verschränkte die Arme.
Plötzlich stand der ältere Mann bei ihnen und lächelte verlegen: „Na, Leute? Probleme?“, versuchte er es kumpelhaft.
„Alter, was geht’s dich an?“, brauste der junge Mann erneut auf.
„Ich dachte nur … wir sind ja hier alle angespannt und genervt. Vielleicht braucht Ihre Freundin mal eine Pause zum Durchatmen …“
„Was soll das denn jetzt werden?“
„… ich meine, dann könnten wir in der Zeit ein bisschen reden und …“
„Mann, Du nervst! – Was sollten wir denn reden? … Wir kennen uns doch gar nicht …“
„Helmut“, unterbrach ihn der Senior und streckte freundlich lächelnd die Hand aus.
„Was?“, der junge Mann war perplex.
„Ich heisse Helmut“, wiederholte Helmut.
„Ich bin Sara“, ergriff Sara da plötzlich die ausgestreckte Hand. Sie schien einigermassen erleichtert, nicht mehr allein mit ihrem Freund dazustehen.
„Freut mich“, lächelte Helmut.
„Und Sie sind?“
„Tobi“, sagte Tobi verdutzt und blickte von seiner Freundin zu dem Fremden vor ihm und wieder zurück.
„Na, komm, Jung’! Wir gehen mal ein Stück. Dann können wir besser reden.“
Sara nickte dazu nur und der immer noch verdatterte Tobi liess sich einfach am Arm von Helmut mitziehen.
Lea und Helmuts Frau konnten beobachten wie Helmut und Tobi die Sitzgruppen der Wartenden verliessen und sich in Richtung der Bar aufmachten, die sich ungefähr in der Mitte des Terminals befand.
„Junge Frau, Sie sitzen da so allein! Kommen Sie doch zu uns rüber …“, rief Helmuts Frau durch die Wartenden am einen Ende der Sitzgruppe zu denen am anderen.
Sara zögerte kurz. Dann klemmte sie ihre Handtasche unter den Arm und schob mit den Händen die beiden rollbaren Handgepäckkoffern von sich selbst und Tobi durch den Wartebereich.
„Ich bin Renate“, begrüsste Renate sie, als sie bei der kleinen Gruppe angekommen war. Die Seniorin lächelte Sara freundlich an und auch Lea zeigte ein müdes Lächeln. Annabell hatte inzwischen das Handy ihrer Mutter samt Kopfhörern ergattert und schaute einen Trickfilm.
„Ich würde ihnen gerne etwas anbieten, aber ausser einer Flasche Wasser haben wir nichts mehr“, bedauerte Renate.
„… bei uns sieht es leider so ähnlich aus“, stellte Lea fest. „… obwohl, warten Sie!“ Sie kramte in ihrem Rucksack und förderte dann mit einem verlegenen Lächeln eine halbvolle Packung Butterkekse zutage.
„Okay, gern“, meinte Sara und nahm sich zwei. Ihre vorsichtige Hand wurde in der Kekspackung sofort von einer kleineren, geübteren abgelöst, denn Annabell hatte nicht vor, sich nach den Gummibärchen auch noch die Kekse entgehen zu lassen. Lea sah es natürlich, sagte aber nichts dazu.
„Das ist Annabell und ich bin Lea“, stellte sie sich und ihre Tochter stattdessen vor.
„Ich bin Sara“, sagte Sara und deutete ein Winken an, „… und ich glaube leider nicht, dass wir hier heute noch wegkommen. Schaut euch das doch mal an, da draussen.“
Da Annabell mit ihrem Kopfhörer von der Hörspielbox auf den Ohren nichts hörte, blickten nur drei Augenpaare zur grossen Glasfront in ihrer Nähe. Draussen wurde der Regen gegen die Scheiben gedrückt. Der Wind hatte eher noch zugenommen.
„Tja, so wie es aussieht verbringen wir die Nacht vor Heiligabend am Flughafen …“, murmelte Lea.
Eine Weile sprachen sie kein Wort, dann konnte Renate ihre Neugier nicht mehr im Zaum halten: „Habt ihr beiden eigentlich häufiger so schlimmen Streit wie vorhin?“, platzte sie mit ihrer Frage heraus.
„Ähm“, machte Sara zuerst und dann „na ja, ‚schlimm‘ war es doch eigentlich nicht. „Er … wir … sind ja nicht ausgerastet oder so …“ – Dann sah sie den beiden Frauen in die Augen und fing an zu weinen.
Teil 2
„Was trinkst Du?“, fragte Helmut als sie an der Bar Platz genommen hatten, an der, ausser ein paar einsamen Geschäftsleuten, niemand mehr war.
„Keine Ahnung … Gin Tonic? … aber lass mich bezahlen, ja“, schob er schnell hinterher.
„Passt schon, Jung’. Meine Rente ist noch gut“, lachte Helmut.
„Einen Gin Tonic und ein grosses Bier“, bestellte er bei der gelangweilt dreinschauenden Bardame, deren rot-weisse Nikolausmütze nicht so recht zu ihrer Stimmung passen wollte. Stumm stellte sie ihnen die Getränke hin und sagte: „Macht 15 € … und die Bar schliesst um 21:30 Uhr.“ Es war inzwischen 20:15 Uhr.
Helmut nickte freundlich, bezahlte, obwohl Tobias noch einmal protestierte und prostete ihm zu. „Na, dann erzähl mal“, forderte er ihn nach dem ersten Schluck auf. „Was war denn vorhin los bei euch?“
„Ach“, machte Tobi, „ist halt alles irgendwie Mist gerade … obwohl: Arbeit läuft gut. Aber dann zu Hause …“
„Streitet ihr häufig?“
„Hm, weiss nicht. Was heisst häufig? … manchmal denke ich, jetzt läuft es gerade gut. Aber dann war sie mal wieder bei ihrer Mutter und redet dann manchmal ein, zwei Tage nichts oder sie weint … und dann sitzen wir am Ende hier und müssen ganz dringend Weihnachten in New York verbringen … “
„Was ist denn mit ihrer Mutter?“
Tobias nahm einen grossen Schluck Gin Tonic und schluckte … „Krebs. Wahrscheinlich drei bis sechs Monate noch, sagen die Ärzte.“
„Oh, das tut mir leid“, murmelt Helmut und trank sein Bierglas aus. „Ich nehm’ noch eins. Was ist mit dir?“
„Es ist nicht seine Schuld. Klar, er wird dann laut … aber er kümmert sich auch immer um alles und will es mir immer recht machen …, aber in den letzten Jahren, da war das Verhältnis zu seinen Eltern so schwierig und … und dann noch das mit seiner Schwester…“, hatte Sara im Wartebereich angefangen zu erzählen.
„Was ist mit seiner Schwester?“, fragte Renate.
„Sie … sie hatte einen Verkehrsunfall. Das ist jetzt drei Jahre her. Tobis Eltern waren auch mit im Auto. Sie waren auch verletzt, wurden aber wieder gesund, nur seine Schwester, die liegt seitdem im Wachkoma …“, Sara räusperte sich.
„Schrecklich“, meinte Renate dazu. Lea küsste Annabell auf den Kopf.
„Wir … wir sollten eigentlich nicht so viel unterwegs sein, Tobi und ich. Aber manchmal habe ich das Gefühl, ich müsste ihn da rausholen und ihm etwas … ja, etwas Besonderes bieten … uns beiden.“ Sie erzählte von ihrer Mutter, ihrem Vater und dem kleinen Dorf in der Nähe, in dem Tobi und sie aufgewachsen waren.
„… und wenn ihr dieses Weihnachten mal nicht in den Urlaub fliegt, sondern bei euren Familien seid?“, fragte Lea.
„Tja, ich weiss nicht. Manchmal sehe ich das auch so, aber dann denke ich wieder, es ist doch auch unser Urlaub und unsere freie Zeit …“
„Das ist doch klar! Ihr sollt ja auch weiterhin in den Urlaub gehen, aber eben aus den richtigen Gründen. Nicht, um vor etwas davonzulaufen“, das war Renate.
Sara schwieg dazu.
„Also, ich weiss nur, dass es nicht gut ist, zwanghaft in den Urlaub zu gehen oder es zu tun, weil man denkt, der andere erwartet es von einem“, sagte Lea jetzt.
„Wie meinst Du das?“
„Na ja“, begann Lea und merkte wie sie rot wurde. „Annabell und ich sitzen hier, ein paar Stunden von Heiligabend entfernt, weil wir unbedingt – wie jedes Jahr – Weihnachten bei den Eltern meines Mannes verbringen müssen.
„… und dein Mann ist schon da?“, fragte Renate.
„Ja, er hat mir vorhin geschrieben, dass der letzte Kundentermin abgesagt wurde und er deshalb schon früher bei meinen Schwiegereltern angekommen ist. Er ist Vertriebsleiter für ein Unternehmen in Norddeutschland. Da kommt er auch ursprünglich her. Er ist die letzten Tage viel im Norden unterwegs gewesen. Da habe ich gesagt: ‚Dann kommen Annabell und ich aber mit dem Flugzeug hinterher. Die lange Strecke möchte ich nicht allein fahren.‘ – Und jetzt sitzen wir hier und warten bis unser traditionelles Weihnachten bei den Schwiegereltern losgehen kann …“
„Aber“, fragte Sara dazwischen, „ist das, was Du tust, nicht genau das Gegenteil von dem, was Du gesagt hast?“
„Ja, … leider. Ich meine, ich möchte ja, dass Annabell ihre Grosseltern regelmässig sieht, aber trotz des Jobs meines Mannes möchte ich nicht ohne ihn in den Weihnachtsurlaub fahren und … und ja, ich möchte auch mal entscheiden und sagen: Ich möchte dieses Weihnachten gar nicht weg sein und lieber zu Hause feiern!“
„Dieses Jahr wird das ja ein bisschen knapp“, zwinkerte ihr Sara zu, „aber es klingt so, als müsstest Du das im nächsten Jahr mal in Angriff nehmen …“
„Ja“, seufzte Lea und musste gegen ihren Willen schmunzeln.
In Sichtweite zu den vieren stellten Flughafen-Angestellte bereits Feldbetten auf. Kurz darauf erscholl die inzwischen wohlbekannte Stimme aus den Lautsprechern über ihren Köpfen und gab bekannt, dass an diesem Abend aufgrund des Wetters kein Flugzeug mehr starten und landen könne. Die für heute Abend geplanten Flüge würden morgen früh ab 6 Uhr nach und nach starten können, da über Nacht mit einem Nachlassen von Sturm und Regen gerechnet werde.
„Jetzt ist es wenigstens offiziell“, seufzte Renate.
„Wo … wo ist eigentlich Annabell?“, fragte Lea da.
Die Männer an der Bar quittierten die Durchsage aus den Lautsprechern mit einem grimmigen Lächeln und Achselzucken.
„Machste nix dran! Prost, Jung’!“, sagte Helmut gerade. Sie stiessen mit ihrem jeweils dritten Getränk an. Die Frau hinter der Bar seufzte in einiger Entfernung und schaute auf ihre Armbanduhr: 20:55 Uhr. ‚Nicht mehr lange‘, dachte sie.
„Und Du meinst also, ihr fliegt jedes Jahr an Weihnachten zu einem deiner Kinder zu Besuch?“, fragte Tobi jetzt.
„Ja, … und den Enkelkindern inzwischen“, nickte Helmut.
„Puh, ist aber auch anstrengend oder?“
„Na ja, es geht. Renate kümmert sich um das meiste und regelt alles mit den Tickets und der Familie.“
„Und Du?“
„Ach, ich halt’ mich da raus … ich meine die Kinder und vor allem die Enkelkinder freuen sich ja immer uns zu sehen … aber, manchmal wäre ein Weihnachten zu Hause auch schön.“
„Können sie euch nicht auch mal besuchen?“
„Ja, … das würde bestimmt inzwischen gehen. Die Kleinen sind ja gar nicht mehr so klein …“
„Warum sprichst Du nicht mal mit Renate darüber?“
Helmut nahm einen Schluck von seinem Bier: „Ich weiss nicht. Sie freut sich doch immer so auf die Weihnachtstage. ‚Dann machen wir wenigstens mal was zusammen‘, sagt sie.“
„Aber würde es Renate nicht auch gefallen, mal zu Hause Weihnachten zu feiern … und vielleicht auch während des Jahres mehr mit dir allein zu unternehmen?“
„Tja, ich weiss nicht …, ich kann sie ja mal fragen …“ –
„Wann kommt ihr denn wieder?“, fragte da eine helle Stimme neben ihnen.
„Oh, hallo Kleines!?!“, war Helmut verdutzt. „Was machst Du denn hier?“
„Ich will euch holen“, sagte Annabell bestimmt. „Deine Frau und seine“, sie zeigte auf Tobi, „und meine Mama reden die ganze Zeit und weinen manchmal oder machen grosse Augen … und das ist so langweilig. Und schlafen will ich noch nicht …“
„Oh, ja dann kommen wir mit zurück … aber weiss denn deine Mama eigentlich, wo Du bist?“
„Weiss nicht“, Annabell schaute zu Boden.
„Wir nehmen dann aber noch was mit für die Frauen“, meinte Tobi und suchte die Bardame.
„Oh ja, ich nehme ’ne Fanta!“, freute sich Annabell.
„Hm, na gut“, sagte Helmut, „hast ja vorhin schon keine Gummibärchen bekommen.“
„Aber diesmal zahle ich“, stellte Tobi klar. „Hallo, … also eine Fanta und eine Flasche Sekt und fünf Gläser! Danach sind Sie uns auch los“, bestellte er bei der müden Bardame.
„Wir haben nur Piccolos und mitgeben darf ich Ihnen nur Plastikbecher.“
„Kein Problem, dann also Fanta und vier Piccolos samt Bechern, bitte“, lächelte Tobi. „Wir müssen da noch was mit unseren Frauen besprechen …“
Derart ausgerüstet, kehrten die drei kurz darauf zum Wartebereich zurück.
Lea stürmte ihnen entgegen: „Wo warst Du denn?“, rief sie aufgebracht und drückte Annabell fest an sich. „Du darfst doch nicht einfach weglaufen! Hörst Du?“
„Vorsicht, meine Fanta …“
„Du darfst nicht einfach weglaufen, verstehst Du? Ich mache mir doch Sorgen, wenn ich nicht weiss, wo Du bist!“
„Ja …“, begann Annabell kleinlaut, „ihr, ihr habt nur so langweilige und traurige Sachen geredet und da … da bin ich …“
„Sie hat uns gesucht“, sprang Helmut ihr bei. „… und uns auch direkt gefunden. Sie ist also nicht rumgestreunt und war auch nur ein paar Minuten allein.“
Die tadelnden Blicke der drei Frauen ersparte ihm das nicht.
„Und ihr musstet ihr sofort eine Fanta spendieren, ja?“, fragte Renate spöttisch.
„Na ja, mussten nicht …“, begann Tobi, „aber dafür haben wir für die Erwachsenen ja auch Sekt mitgebracht.“
„Aha“, machte Sara mit verschränkten Armen, „gibt es denn was zu feiern?“
„Ja“, sagte Tobi jetzt leiser, „… also, vielleicht … vielleicht verzeiht mir meine wundervolle Freundin noch einmal, dass ich vorhin so laut und ungerecht zu ihr war?“
„Na, vielleicht“, sagte Sara. „Aber, komm mal gerade mit …“ Sie trat mit ihm beiseite. „Tobi, ich habe nachgedacht: Wir sollten nicht fliegen. Nicht jetzt, nicht dieses Jahr … wir werden zu Hause gebraucht. Du und ich. Unsere Familien brauchen uns – vor allem jetzt an Weihnachten.“
Tobi schaute sie an. „Ja, … ja, Du hast Recht. Das denke ich auch … dann holen wir nachher das Auto aus dem Parkhaus und fahren zurück, ja?“ Sara nickte. Sie küssten sich.
Ungefähr zur selben Zeit sagte Helmut zu Renate: „Du, Schatz … ich … also, dieses Jahr ziehen wir das jetzt natürlich durch, auch mit heute Nacht hierbleiben und so, aber … können wir nächstes Weihnachten nicht auch mal zu uns einladen? Ich meine, dass wir auch mal Gastgeber sind und die beiden mit den Kleinen zu uns kommen?“
Renate sah ihm tief in die Augen. Dann nahm sie seine Hand. „Na, ihr habt euch ja anscheinend gut unterhalten, was?“
„Na ja“, sagte Helmut, „ich würde es mir eben wünschen. Einfach, dass wir nicht immer zusammen am Flughafen hocken müssen.“
Sie gab ihm einen Kuss. „Ist schon gut, … ich denke ein Weihnachten zu Hause könnte mir auch gut gefallen, … aber ich mach nicht alles allein, hörst Du? Ich brauche dann deine Hilfe!“
„Versprochen“, sagte Helmut und hob feierlich die linke Hand dabei.
Tobi ging herum und schenkte den Erwachsenen Sekt ein.
Lea prostete den anderen zu und nahm dann mit Annabell auf einem der bereitgestellten Feldbetten Platz. Sie legte ihren Arm um das Mädchen, küsste sie und sagte leise zu ihr: „Tut mir leid, meine Grosse, dass Weihnachten so schlecht losgeht! So mit Übernachten am Flughafen … nächstes Jahr machen wir das alles anders, versprochen.“
„Ist schon okay!“, sagte Annabell, „Aber ich möchte nächstes Jahr, dass Papa dabei ist, wenn wir zu Oma und Opa wollen!“
„Ja, das habe ich mir auch schon gedacht. Das muss auch bei seiner Arbeit einfach mal möglich sein … ich spreche gleich morgen mit ihm.“
„… und dann möchte ich zusammen mit Papa und dir im Zug zu Oma und Opa fahren.“
„Im Zug?“
„Ja, da können solche Verspätungen nicht passieren.“
„Na“, schmunzelte Lea, „wir wollen mal schauen.“ Und dann nach einer Pause: „Frohe Weihnachten, mein Schatz!“
„Frohe Weihnachten, Mama!“
– E N D E –